Nach dem frühen Tod ihrer Mutter 1914 kümmert sich eine ältere Cousine mütterlicherseits um sie.
Sie will Medizin studieren und geht nach dem Abitur zurück nach Wien, wo sie im Rahmen ihres Studiums und ihrer Spezialisierung als Kinderärztin viel Zeit an der Universitätskinderklinik von Prof. Clemens von Pirquet verbringt. Diese Klinik war weit über die Grenzen Wiens bekannt für ihre großen Heilungserfolge ohne übermäßigen Medikamenteneinsatz. Pirquet stellte immer das Kind in den Mittelpunkt und nicht die Erkrankung. In dieser Zeit lernt sie das ganz andere Bewusstsein für das Kind kennen und gewinnt die Erkenntnis, wie sich gesunde Lebensverhältnisse auswirken.
Während ihrer Assistenzzeit in der Chirurgie bei Prof. Hans Salzer im Mautner Markhof'schen Kinderspital in Wien, lernte sie den achtsamen und freundschaftlichen Umgang mit dem Kind kennen, der helfen kann Ängste abzubauen und die Kooperationsbereitschaft des Kindes fördert.
Für die junge, überaus engagierte Kinderärztin war diese, für die damalige Zeit geradezu revolutionäre Haltung der beiden Persönlichkeiten, für ihr gesamtes späteres Wirken prägend.
Beim Lesen der Unfallstatistiken ...
... fällt ihr auf, dass überwiegend die wohlbehüteten Kinder der reicheren Familien mit schweren Verletzungen eingeliefert wurden, während Kinder aus einfachen Verhältnissen, die sich viel selbst überlassen waren, höchst selten auf der chirurgischen Station behandelt werden mussten. Diese Beobachtungen löst erste Überlegungen zur Bewegungsentwicklung bei ihr aus. Emmi Pikler erklärt sich diese Tatsache damit, dass die selbständige Aktivität des Kindes einen wesentlichen Einfluss auf die Bewegungsentwicklung haben muss.
Nach dem Studium baut sie in Budapest eine kleine Arztpraxis auf, wo sie bei Hausbesuchen mit ihrer empirischen Arbeit beginnt, indem sie die Kinder in ihrer gewohnten Umgebung bei der eigenständigen Bewegungsentwicklung beobachtet. Wie ihre Lehrer hält sie viel von Prophylaxe und bespricht mit den Eltern die Grundbedürfnisse Ernährung, achtsame Pflege und die angemessene Umgebung für Säuglinge, sowie die gute Eltern-Kind-Bindung.
Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Pädagogen und Mathematiker György Pikler, hat sie einen Partner, mit dem sie sich über die entwicklungspsychologischen Beobachtungen austauschen kann. Als 1931 ihre erste Tochter Anna geboren wurde, ermöglichten sie ihr geduldig die freie selbständige Bewegungsentwicklung.
Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung wird für sie immer deutlicher, dass das Kind keinerlei Anregung oder gar Anleitung für Spiel und Entwicklung benötigt, da es von Natur aus ein „Forschergeist“ und „Entdecker“ ist und dass es darüber hinaus auf eine gute Eltern-Kind-Beziehung ankommt, um eine gesunde Entwicklung zu ermöglichen.
1935 begegnet sie Elfriede Hengstenberg, einer Schülerin Elsa Gindlers (Gymnastiklehrerin) und Heinrich Jacobys (Musiker und Philosoph), die ihre Erkenntnisse bestätigt. Diese sind der Meinung: „Dass die übliche Säuglings- und Kleinkinderziehung die Initiative der Kinder behindere und ihre Ausdrucksfähigkeit verkümmern lässt.“
In der folgenden Zeit hält Emmi Pikler Vorträge und veröffentlicht 1940 ihr erstes Buch (Friedliche Babys – zufriedene Mütter), das 1982 auch in Deutschland erscheint.
1946 gründet sie das Säuglingsheim Loczy, das sie bis 1979 leitet. Nach ihrer Pensionierung führt sie ihre wissenschaftliche und beratende Tätigkeit fort.
Mitten in ihrer Forschungsarbeit stirbt sie 1984 nach kurzer schwerer Krankheit.
Das Pikler Institut, wie das Loczy nach ihrem Tod benannt wird, erlangte internationales Ansehen, da es gelungen war, dass Kinder nach längerem Heimaufenthalt keinerlei Heimschäden aufwiesen. Vielmehr war es sogar so, dass sie besonders fröhlich und auf allen Ebenen gut entwickelt waren. Darüber hinaus zeigten sie eine Sozialisation, wie sie bei Kindern zu beobachten ist, die in Familien aufgewachsen sind.
Wie konnte dieses nahezu unmögliche Vorhaben gelingen?
1.
Respekt vor der Eigenaktivität des Kindes, die durch die sichere Umgebung ermöglicht wird.
2.
Stabile persönliche und vertrauensvolle Beziehung zwischen Kind und Betreuerin.
3.
Jedes Kind soll sich angenommen und anerkannt fühlen, so kann es ein Bewusstsein seiner Selbst und seiner Umgebung entwickeln.
4.
Gesundheit und körperliches Wohlbefinden sind die Grundlage der Prinzipien und folgen aus der konsequenten Umsetzung.
Der Erfolg dieser Herangehensweise war zu dieser Zeit unvorstellbar und konnte sogar durch eine Studie der WHO belegt werden.
Magda Gerber, eine der ersten Mitarbeiterinnen, meinte, dass die Arbeit Emmi Piklers im Loczy eine wichtige Botschaft für Eltern und Erzieher bereithält: „Wenn Kinder, die in einer öffentlichen Einrichtung erzogen wurden, nicht nur überleben, sondern aufblühen können, können dann Kinder nicht überall einen besseren Start ins Leben haben, wenn wir diesem Ansatz folgen?“
Nach dem frühen Tod ihrer Mutter 1914 kümmert sich eine ältere Cousine mütterlicherseits um sie.
Sie will Medizin studieren und geht nach dem Abitur zurück nach Wien, wo sie im Rahmen ihres Studiums und ihrer Spezialisierung als Kinderärztin viel Zeit an der Universitätskinderklinik von Prof. Clemens von Pirquet verbringt. Diese Klinik war weit über die Grenzen Wiens bekannt für ihre großen Heilungserfolge ohne übermäßigen Medikamenteneinsatz. Pirquet stellte immer das Kind in den Mittelpunkt und nicht die Erkrankung. In dieser Zeit lernt sie das ganz andere Bewusstsein für das Kind kennen und gewinnt die Erkenntnis, wie sich gesunde Lebensverhältnisse auswirken.
Während ihrer Assistenzzeit in der Chirurgie bei Prof. Hans Salzer im Mautner Markhof'schen Kinderspital in Wien, lernte sie den achtsamen und freundschaftlichen Umgang mit dem Kind kennen, der helfen kann Ängste abzubauen und die Kooperationsbereitschaft des Kindes fördert.
Für die junge, überaus engagierte Kinderärztin war diese, für die damalige Zeit geradezu revolutionäre Haltung der beiden Persönlichkeiten, für ihr gesamtes späteres Wirken prägend.
Beim Lesen der Unfallstatistiken ...
... fällt ihr auf, dass überwiegend die wohlbehüteten Kinder der reicheren Familien mit schweren Verletzungen eingeliefert wurden, während Kinder aus einfachen Verhältnissen, die sich viel selbst überlassen waren, höchst selten auf der chirurgischen Station behandelt werden mussten. Diese Beobachtungen löst erste Überlegungen zur Bewegungsentwicklung bei ihr aus. Emmi Pikler erklärt sich diese Tatsache damit, dass die selbständige Aktivität des Kindes einen wesentlichen Einfluss auf die Bewegungsentwicklung haben muss.